Jahreskreisfest Herbsttag-
undnachtgleiche
Wir feiern und danken der Ernte! Christine Fuchs erinnert dich an die Bedeutung der Dankbarkeit und gibt wertvolle Tipps und Impulse zur Herbsttagundnachtgleiche.
Der September - Altweibersommer und Übergangsmonat
Oft wird er als der schönste Monat im Jahr empfunden – der September mit den ersten Nebelschleiern über den Feldern am Morgen, die übergehen in einen sonnigen Tag, der mit seinen prachtvollen Herbstfarben unser Herz erfreut. Trotzdem wird es von Tag zu Tag deutlicher: Die Kraft des Sommers erlischt und geht über in herbstliche Reife. Der Wärme am Tag folgen bereits recht kühle Nächte. Am 22. September feiern wir die Herbst-Tagundnachtgleiche, d. h. ab diesem Tag werden die Nächte wieder länger als die Tage. Dieses Fest liegt auf dem Jahresrad der Frühlings-Tagundnachtgleiche gegenüber und markiert den kalendarischen Herbstbeginn. Die Vegetationsperiode ist zu Ende, wir genießen jedoch noch die Früchte des Sommers. Die Kräuterernte oberhalb der Erde ist abgeschlossen. Bis Oktober – am besten bei abnehmendem Mond – können die Wurzeln noch ausgegraben werden.
Der sogenannte Altweibersommer hält Einzug, eine Bezeichnung für eine stabile Wetterlage mit gleichbleibend warmen Tagen. Der Begriff hat übrigens so gar nichts mit »alten Weibern« zu tun, sondern leitet sich von der veralteten Bezeichnung für weben, nämlich »weiben« ab. Damit wurden die Fäden der Spinnen bezeichnet, die gerade im Herbst, wenn der Tau in den Netzen hängt, so gut sichtbar sind. Es ist der Zeitpunkt, zu dem wir realisieren, dass sich der Sommer verabschiedet hat. Wir
sitzen vielleicht noch draußen im Café, das Gesicht Richtung Sonne gereckt, eine Decke
um die Hüften geschlungen. Die quirligen, lebendigen Wochen mit vielen Aktivitäten unter freiem Himmel ziehen vor unserem inneren Auge vorbei. Etwas Wehmut breitet sich aus in uns: Die Leichtigkeit und den Übermut des Sommers lassen wir jetzt zurück. Ganz langsam und gemächlich bereiten wir uns auf die dunkler werdende Jahreszeit vor. Im Unterschied zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche nehmen wir jetzt statt Aufbruch und Neubeginn ein Gefühl der Sättigung und Dankbarkeit wahr dafür, was in den letzten Monaten gewesen ist. So wie die Natur ihren Rückzug ankündigt, so spüren wir eine langsam beginnende Innenwendung.
Brauchtum und Volksmagie
Der Erntemonat September war früher von großer Bedeutung. Alles, was jetzt für den Winter geerntet und haltbar gemacht werden konnte, war Garant für ein sicheres Überleben in der kalten Jahreszeit. Es gab sehr viel zu tun und je besser die Wettergötter gelaunt waren, desto sicherer war eine reichhaltige Ernte. Verantwortlich dafür war die Erdgöttin. Ihretwegen wurden Opfer gebracht, umrahmt von Dankesfeiern, die bis zum Vollmond nach der HerbstTagundnachtgleiche andauerten. Vorausschauend wurden der Erdgöttin die besten Früchte und Nüsse geopfert, damit sie auch im kommenden Jahr für eine gute Ernte sorgen würde. Die Überreste davon zeigen sich auch heute noch:
Je nach Region werden Wein-, Zwiebel- und Kartoffelfeste und Kirchweihfeste veranstaltet. Die Hopfenernte und die Tatsache, dass es früher keine kühlen Lagermöglichkeiten im Sommer für das Bier gab, war Ursprung für das bekannte Oktoberfest. Der Michaelistag war Brau-Auftakt für das Bier, nachdem nun Hopfen und Malz verfügbar waren.
Die Bräuche des Herbstes waren maßgeblich geprägt von der Ehrung gegenüber der Natur und Dank und Segen für die eingebrachte Ernte. Für die Menschen früher war das ein ganz wichtiger Zeitpunkt im Jahr, den wir in unserem heutigen Kontext kaum mehr nachvollziehen können: Das Ende einer arbeits- und ernte-reichen Zeit wurde gefeiert, denn sie hat den Menschen das Überleben der nächsten Monate gesichert! Im freudigen Feiern wurde der tiefe Dank gegenüber der Natur ausgedrückt. Der Blick auf gut gefüllte Vorratslager schenkte Zuversicht, die dunklen,
kalten und schneereichen Monate gut zu überstehen. Der Kontext und die Strukturen, in denen wir heute leben, könnten sich davon nicht krasser unterscheiden: Zu jeder Zeit – fast rund um die Uhr – stehen uns gut gefüllte Supermarktregale zur Verfügung. Der Zugriff auf Nahrungsmittel aus aller Welt erschwert die gedankliche Rückkopplung, dass all dies von Mutter Natur stammt. Wie können wir also Ernte-Dank empfinden oder gar feiern, so dass es an unserer Seele andockt und eben nicht zu einer Festivität verkommt, in der nur üppiges Essen und Trinken im Vordergrund steht? Mit einer bewussten Fokussierung ist das eigentlich ganz einfach, sehr sinnhaft und kann sogar nachhaltig verändernd sein!
Die Herbst-Qualität nutzen
Der Herbst verkündet einen stillen Wendepunkt. Wir schauen sacht, liebevoll und ohne Bewertung auf die vergangenen Monate. So wie sich unter den Bäumen so langsam die Blätter sammeln, sammeln wir die Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Monate und lassen sie vor unserem inneren Auge Revue passieren. Doch Achtung: Es geht noch nicht um tiefes Loslassen und Verabschieden. In diesem Zusammenhang finden wir oft den Begriff »Trauerarbeit« und das nicht nur wenn es um den Tod eines nahestehenden Menschen geht, sondern auch in Situationen und Dingen, die losgelassen werden wollen. Bereits das Wort »Arbeit« verleiht dem Begriff zusätzliche Schwere. Zudem fehlt das Gegenstück völlig: »Dankes- und Freudenarbeit« existiert in unserem Sprachgebrauch nicht. Die Brille, durch die wir aktuell schauen wollen, ist jedoch die der Dankbarkeit und Freude. So simpel es klingt, aber genau das ist es, was der Seele am meisten gut tut und sie nährt.
Stellen wir uns einen Laubwald vor zu dieser Jahreszeit, dann ist das ein überaus farbenprächtiger Umkehrschwung. Wenden wir diese Qualitäten auf uns selbst an, gilt es, die Pracht unseres Lebens in den letzten Monaten wertzuschätzen. Bringen wir es ruhig auf den Punkt: Selbstlob ist angesagt! Wir huldigen unseren Fähigkeiten und Leistungen der letzten Monate. Möglich, dass sich der eine oder andere jetzt
denkt »Leichter gesagt, als getan!«, weil eine traurige, verletzende oder schmerzvolle Lebenssituation das ganze Sein beherrscht hat oder es noch tut. Gerade dann ist die ganze Kreativität gefragt, um auch diese Zeit auf »Herz und Nieren« zu prüfen, um die kleinen, freudvollen, aufbauenden Gegebenheiten zu erspüren, für die wir dankbar sein können. Unsere Ahnen waren uns da vermutlich ein ganzes Stück voraus. Ohne erforschte und wissenschaftliche Kenntnisse aus der Psychologie war ihnen intuitiv bewusst, wie immens wichtig das Gefühl der Dankbarkeit ist. Und ohne dass es belegt ist, können wir uns sicher sein, dass sie auch bei einer schlechteren Ernte doch noch dankbar waren, für das, was sie als Vorrat sichern konnten, in der Hoffnung, es reicht ihnen über den Winter.
Deine Dankbarkeits-Inspirationen
Was lässt dich lächeln, wenn du an die letzten Monate denkst?
Wofür kannst du von Herzen dankbar sein?
Welchen Samen hast du gesät, welche sind herangereift, welche liegen noch unberührt im Erdreich?
Wie fühlen sich die Früchte an, die du ernten konntest?
Welches Bedürfnis hast du besonders genährt?
Welche Herausforderungen hast du gemeistert
Im Sinne von Ernte-Dank können wir uns weitere Fragen stellen, die unseren modernen Lebenskontext berücksichtigen und hoch sinnhaft sind:
- Was beherbergt denn mein Kühl- und Vorratsschrank alles? Wird alles verbraucht oder werfe ich viel weg?
- Wie gehe ich prinzipiell mit Essen, mit Nahrung um? Ist es vorwiegend hochindustriell verarbeitete Nahrung, die ich zu mir nehme, ohne jegliche Information der Elemente wie Feuer (Sonne), Wasser (Regen), Luft (statt Gewächshaus), Erde (statt künstlichem Substrat) – oder esse ich wirklich »lebendige« im Sinne von natürliche LEBENSmittel?
- Was und vor allem welche Art von Nahrung brauche ich wirklich?
- Was ist mir persönlich ESSEN wert? Welchen Stellenwert im Sinne von Qualität hat es in meinem Leben? Wofür gebe ich viel lieber mehr Geld aus als für Essen?
- Von wo kommt meine Nahrung? Von wo wird sie hertransportiert? Kann ich sie bis zum Ursprung zurückverfolgen?
- Wem kann ich dankbar sein, dass er für mich qualitativ hochwertige Nahrung produziert und liefert?
- Wie könnte ich mein Verhalten bezüglich Essen, Nahrung, Ernährung optimieren und aufmerksamer, bewusster sein?
Noch ein Tipp:
Lege dir ein kleines Dankes- und Freudenbuch an. Halte darin am Abend fest, wofür du für den heutigen Tag dankbar bist. Du kannst das Gefühl der Dankbarkeit verstärken mit einer Räucherung aus Alantwurzeln, Rosenblüten, Lavendel, Benzoe Siam und Myrrhe.
Die Jahreskreisfeste im Überblick
Dieser Artikel und viele weitere zu diese Thema ist Teil des Magazins No. 22 DANKBARKEIT.
Christine Fuchs. schreibt Bücher über das
Räuchern, bietet (online) Räucherkurse an
und das rituelle Zelebrieren der Jahreskreisfeste. In der Räuchermanufaktur LABDANUM
bietet sie hochwertiges Räucherwerk und
Zubehör an.
Foto: Andrea Maucher