Vom Opferdasein zur Eigenverantwortung
Sandra war gerade dabei sich die Kleider zurecht zu zupfen und noch einen schnellen Blick in den Spiegel zu werfen: Ja so sieht das gut aus, denkt sie, als es auch schon klingelt. Gut gelaunt läuft sie zur Tür und öffnet ihrem Schatz Andreas, der gerade von der Arbeit kommt. Sie wollen zusammen kochen und sie freut sich auf den gemeinsamen Abend. Doch dann kommt alles anders.
Als sie Andreas’ Gesicht sieht, spürt Sandra Enttäuschung und Tränen in sich aufsteigen. Er wirkt gestresst und rauscht an ihr vorbei, ohne sie richtig zu begrüßen. Kein Kuss, kein Lächeln. Dabei hat Sandra den ganzen Tag auf den Abend mit ihrem Schatz hin gefiebert. Den Einkauf für das Essen hat er auch vergessen…
Sofort ist es mit Sandras guter Laune dahin. Sie hatte sich doch extra hübsch gemacht! Andreas’ Verhalten enttäuscht sie maßlos und macht sie wütend. Sie rennt auf ihr Zimmer, knallt die Tür hinter sich zu und denkt: «So ein Idiot, den ganzen Abend hat er mir verdorben!»
STOPP! An dieser Stelle möchte ich dich bitten, kurz innezuhalten. Kennst du solche Situationen? Und, was denkst du? Stimmt es wirklich, dass Andreas dafür verantwortlich, wie Sandra sich fühlt?
Betrachten wir die Situation noch einmal genau, um zu verstehen, was passiert ist:
Verständlicherweise ist Sandra vom Verhalten ihres Partners enttäuscht. Doch indem sie ihre Enttäuschung und ihre nicht erfüllten Erwartungen Andreas in die Schuhe schiebt, gibt sie in diesem Moment die Verantwortung dafür, wie sie sich fühlt, an Andreas ab. Somit schafft Sandra ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Partner und begibt sich in die Opferrolle. Eine Beziehung, ein Gespräch in Augenhöhe ist so leider nicht mehr möglich.
Was ist in diesem Moment passiert?
Blitzschnell hat Sandras Unterbewusstsein die Situation an der Haustüre interpretiert. Und zwar folgendermaßen: «Ich bin ihm nicht wichtig genug, unsere Beziehung ist ihm egal.»
Es ist genau diese Interpretation, die dafür sorgt, dass Sandra sich schlecht fühlt und NICHT das Verhalten ihres Partners an sich. Sandra hat ihren Partner ja nicht einmal gefragt, was denn los sei. Andreas ist vielleicht einfach von seinem Job gestresst, überfordert und braucht ein paar Minuten für sich. Das hat rein gar nichts mit Sandra zu tun.
Die oben geschilderte Situation lässt sich beliebig übertragen. Gerade in Paarbeziehungen kommt es sehr häufig vor, dass einer den anderen dafür verantwortlich macht, wie es ihm geht. Ein Klassiker der Missverständnisse ist auch, dass wir erwarten, der andere müsse doch merken, was wir wollen.
Raus aus dem Opferstatus!
Sobald wir jemanden anderen dafür verantwortlich machen, wie es uns geht, nehmen wir den Opferstatus ein. In diesem Moment ist unser Befinden davon abhängig, wie andere mit uns umgehen. Das ist auf der einen Seite bequem: Wir können im Jammertal sitzenbleiben, mit dem Finger auf all die anderen, seien es Partner, Chef, Kollegen, Politiker oder Wirtschaftsbosse, zeigen und uns selbst bemitleiden. Auf der anderen Seite jedoch können wir aus dieser Position heraus nichts verändern und lassen uns permanent fremdsteuern. Wir sind das arme Opfer und nicht der Protagonist, der Entscheidungsträger in unserem Leben. Auf diese Weise werden sich Menschen wie Sandra weiterhin schlecht fühlen.
Du hast immer die Wahl. Du kannst dich immer entscheiden, wie du eine Situation bewerten möchtest. Schaust du durch die Opfer- oder die Schöpferbrille? Die Opferbrille mag zwar bequem und auch gewohnt sein, aber solange du diese trägst, wirst du nichts in deinem Leben verändern und immer abhängig von äußeren Umständen bleiben. Du nimmst eine passive Rolle in deinem Leben ein und lässt dich von anderen leben.
Leg Deine Schöpferbrille an!
Was ich damit sagen will? Übernimm Eigenverantwortung für deine Gefühle und deine Stimmung, ganz unabhängig davon, wie dich jemand behandelt. Das bedeutet auch, das Leben mit deinen Schöpfungsinstrumenten (das sind deine Gedanken, Worte, Gefühle und Handlungen) aktiv zu gestalten. Nur dann, wenn du die Verantwortung dafür übernimmst, wie es dir geht, wirst du unabhängig von äußeren Umständen und innerlich frei.
Es liegt tatsächlich in deiner Verantwortung, wie es dir geht
Niemand ist dafür verantwortlich, wie es dir geht, außer du selbst. Das wird besonders deutlich, wenn man anschaut, wie unterschiedlich Menschen auf ein und dieselbe Situation reagieren. Was für den einen der Weltuntergang ist, kann der andere ganz locker wegstecken. Warum? Weil jeder die Situation aus seiner ganz eigenen Perspektive sieht und bewertet.
Eigenverantwortung zu übernehmen, heißt BEWUSST zu agieren!
Wie schaffe ich es, mich nicht mehr von den äußeren Umständen beeinflussen zu lassen?
Die folgenden Schritte helfen dir dabei, Eigenverantwortung für dich und dein Leben zu übernehmen:
1 Triff eine bewusste Entscheidung
Als erstes darfst du dich dafür entscheiden, die Verantwortung für dich, deine Gefühle und dein Leben zu übernehmen. Es gibt einen schönen Spruch: «Irgendwann erkennst du, dass nicht die Hebamme an allem schuld ist».
Frag dich ehrlich: Wen machst du, tief in dir drin, dafür verantwortlich, dass es dir im Moment in bestimmten Bereichen deines Lebens nicht gut geht? Deine Eltern? Deinen Partner? Deinen Chef oder die Arbeitskollegen? Die Politiker, die Wirtschaft?
Du darfst dich JETZT dafür entscheiden, deine Opferbrille abzulegen. Sie dient dir nicht mehr. Nur so kannst du etwas in deinem Leben verändern. Es gibt Dinge in deiner Vergangenheit und in der Welt, die sind, wie sie sind, du kannst sie nicht ändern. Das Einzige, was du ändern kannst, ist deine Einstellung dazu!
2 Achte auf deine Gedanken
Werde dir bewusst, was «es in dir denkt». Über 95% unserer Gedanken laufen unterbewusst ab. Das heißt, wir reagieren meist automatisiert, aus unseren alten Mustern, Glaubenssätzen und Erfahrungen heraus auf Situationen und Menschen. Solange wir uns nicht bewusst machen, was «es in uns denkt» und unsere Reaktionen bestimmt, sind wir Gefangene unseres Unterbewusstseins und fremdgesteuert.
Beginne also, deine Gedanken und Glaubenssätze zu erforschen. Versuche, Situationen nicht mehr mit «gut» und «schlecht» zu schubladisieren, sondern nutze sie als Erfahrungen, aus denen du lernen kannst.
Wenn du in eine Situation gerätst, in der du dich nicht wohl fühlst, frage dich: «Wie habe ich diese Situation (unbewusst) bewertet? Was habe ich darüber, tief in mir und in Sekundenschnelle, gedacht? Stimmt das wirklich? Wie könnte ich die Situation noch sehen?
3 Handle bewusst - die Drei-Sekunden-Regel
Diese Regel hilft dir dabei, nicht mehr automatisiert aus deinen alten Mustern und Gedanken heraus zu reagieren, sondern bewusst zu agieren.
Wenn du in einer Situation bist, die dich triggert, widerstehe dem Impuls, sofort darauf zu reagieren. Zähle innerlich «1 – und – 2 – und – 3», atme dabei tief durch und komme wieder ganz in deinem Körper an. Sage in dieser Zeit gar nichts. Anschließend kannst du bewusst agieren, z. B. mit einer Frage, um zu verstehen, was vorgefallen ist.
4 Fühle deine Gefühle
Gefühle sind unsere stärksten Energien, sie haben einen enormen Einfluss auf unser Verhalten. Wir haben früh gelernt, in «gute» und «schlechte» Gefühle zu unterscheiden. Schon als Kind bekamen wir, z. B. wenn wir traurig waren, zu hören «Ach, das ist doch nicht so schlimm, das geht vorüber». Oder wenn wir wütend waren: «Jetzt reiß dich aber mal zusammen!», wenn wir Angst hatten «du musst doch keine Angst haben», etc.
Dagegen wurden wir angelächelt und gelobt, wenn wir lieb und brav waren.
So haben wir früh begonnen, unsere «negativen» Gefühle zu verdrängen und in uns zu verschließen, da sie meist mit unangenehmen Erfahrungen und Schmerzen verbunden waren.
Doch Gefühle, die nicht gefühlt werden, manifestieren sich in uns als Energieblockaden und steuern uns letztendlich aus der Tiefe. Folgen davon können Depression, Burn-Out oder cholerische Anfälle sein.
In unserem Beispiel oben hat Andreas durch sein Verhalten lediglich ein verdrängtes Gefühl in Sandra getriggert. In diesem Fall das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Er ist jedoch nicht verantwortlich dafür, wie Sandras sich fühlt. Zudem stimmt es höchstwahrscheinlich auch nicht, dass er sie nicht liebt.
Es ist Sandras Verantwortung, durch das annehmende Fühlen, das Erkennen und Lösen der dahinter liegenden Glaubenssätze, dieses Gefühl in die Heilung zu bringen. Sobald das geschehen ist, werden sie Andreas’ Verhaltensweisen nicht mehr so schnell aus dem Gleichgewicht bringen.
5 Übe dich in Vergebung
Vergebung üben ist ein sehr wichtiger Prozess, um Eigenverantwortung übernehmen zu können. Solange wir noch mit anderen Menschen und Ereignissen hadern, sind wir nicht bereit, für uns die Verantwortung zu übernehmen.
Im Beispiel oben darf Sandra ihrem Freund vergeben, dass er sie nicht begrüsst und den Einkauf vergessen hat.
Vergebung üben heißt nicht, dass du gutheißt, was passiert ist. Vergebung übst du in erster Linie für deinen inneren Frieden. Dafür, dass du deine Energien nicht mehr im Kampf GEGEN etwas verschwendest, sondern sie konstruktiv FÜR dich einsetzt. Und sei ehrlich, du möchtest ja auch, dass dein Partner dir gegenüber vergebungsvoll ist, wenn du mal einen Fehler gemacht hast, oder?
Wie sieht nun die Lösung für Sandra aus?
Anstatt die Situation auf sich zu beziehen und negativ zu bewerten, hätte Sandra folgendermaßen reagieren können:
Sie erkennt, dass ihr Freund durch den Job gestresst und dadurch blockiert ist. Sie versteht, dass er keine Energie für den Einkauf oder für eine ausführliche Begrüßung hat und dass dies nichts mit seiner Liebe zu ihr zu tun hat. Auf diese Weise kann sie anstatt Enttäuschung nun Mitgefühl entwickeln und hat so die Möglichkeit, ganz anders zu reagieren. Z.B. bringt sie Andreas gegenüber ihre Enttäuschung zum Ausdruck und spricht ihn ruhig und ohne Vorwurf darauf an, wie der weitere Abend nun aussehen soll.
Deine Belohnung wartet auf dich
Natürlich funktioniert die Übernahme von Eigenverantwortung nicht von heute auf morgen, es ist ein Prozess. Ein Prozess, der Energie, Geduld und Mut kostet und auf dem du viel über dich lernen wirst.
Je mehr du es jedoch schaffst, die obigen Schritte in dein Leben zu integrieren, desto mehr wirst du mit innerer Freiheit, Unabhängigkeit und einem Leben in Freude und Leichtigkeit belohnt!
Es ist dein Leben – es ist deine Verantwortung, was du daraus machst!
Monika Ernst ist Selbstliebe- und Gefühle-Coach. In ihren Seminaren und Coachingprogrammen begleitet sie Frauen auf ihrem Weg in ein selbstbewusstes Leben voller glücklicher Beziehungen: Zu sich selbst, zu ihrem Partner und zum Leben. Hier kannst du einen kostenlosen Beziehungstest machen: https://mein-test.monika-ernst.ch/
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Höre dir auch die Podcastfolge mit Monika Ernst an, wie du mit mehr Selbstliebe deine Beziehungen verbesserst.